Zu dichtes Auffahren bzw. eine Missachtung des Abstands gehört zu den zehn häufigsten Unfallursachen in Deutschland. Meist sind die Fahrer abgelenkt oder unterschätzen ihre Geschwindigkeit und kommen daher nicht rechtzeitig mit ihrem Auto zum Stehen. An einer Ampel oder im Stau hat der Vorausfahrende keine Möglichkeit auszuweichen und es kracht. Dann stellt sich nach einem Auffahrunfall die Frage: Wer ist schuld? Für die meisten ist klar: Die Auffahrenden haben Schuld, weil der Abstand zu gering war.
Inhalt dieses Ratgebers
Wer auffährt, hat Schuld – Stimmt das?

Vor allem für den Vorausfahrenden ist nach einem Auffahrunfall die Schuldfrage schnell geklärt: Wer auffährt, hat Schuld. Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Bei dieser Aussage handelt es sich um einen sogenannten Anscheinsbeweis.
Schließlich scheint offensichtlich, was passiert ist: Der Auffahrende hat den Sicherheitsabstand zu seinem Vordermann nicht eingehalten und konnte dann nicht rechtzeitig bremsen. Häufig mag dies stimmen, letztendlich hat aber derjenige an einem Auffahrunfall Schuld, der die Straßenverkehrsordnung (StVO) missachtet hat.
Welche Verkehrsregeln finden Anwendung?
Die StVO nimmt sowohl Vordermann wie auch Auffahrenden in die Pflicht. In Paragraph 4 heißt es:
(1) Der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug muss in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird. Wer vorausfährt, darf nicht ohne zwingenden Grund stark bremsen.
Wer nach einem Auffahrunfall Schuld hat, lässt sich also nicht immer so einfach sagen. Schließlich kann der Vordermann ohne zwingenden Grund gebremst haben und der Auffahrende missachtete den Sicherheitsabstand. In solchen Fällen werden dann wohl beide Verkehrsteilnehmer in die Haftung genommen.
Das Landgericht Saarbrücken entschied im November 2015 in einem Urteil, dass ein Vorausfahrender an einem Auffahrunfall durchaus Schuld haben kann. Im konkreten Fall hatte die vorausfahrende Dame an einer grünen Ampel mit ihrem Fahrzeug eine Vollbremsung hingelegt, nachdem sich ihr Auto erst in Bewegung setzte. Die Vorausfahrende nahm an, eine von rechts kommende Fahrradfahrerin führe auf die Straße. Die Haftungsquote wurde auf 2/3 zu Gunsten der Auffahrenden festgesetzt.
Schuldfrage bei einem Auffahrunfall: Wie lässt sich diese klären?
Das Verkehrsrecht verlangt nicht, dass an Ort und Stelle entschieden wird, wer an dem Auffahrunfall Schuld hat. Daher ist es empfehlenswert, ruhig zu bleiben und sachlich mit dem Unfallgegner zu sprechen.

Die Unfallbeteiligten sollten einen Unfallbericht schreiben und Fotos von den Schäden anfertigen. Sind Sie sich unsicher oder liegt der Schadenswert an den Fahrzeugen über 750 Euro, so verständigen Sie die Polizei.
Handelt es sich um kleinere Schäden, kann die Fahrbahn geräumt werden. Die Daten von umstehenden Zeugen sollten aufgenommen werden.
Die Schuldfrage wird von den Versicherungen geklärt, insofern muss keine Unfallpartei aussagen, an dem Auffahrunfall Schuld zu haben.
So hart das klingen mag: Mehrere Gerichte haben bereits den Fahrern, die für kleine Tiere bremsten, eine Teilschuld zugesprochen. Vergewissern Sie sich immer vorerst im Rückspiegel, wie dicht der Fahrer das nachfolgenden Autos aufgefahren ist.
Meldung bei der Versicherung: Egal, wer schuld ist?
Unabhängig davon, wer vermeintlich an dem Auffahrunfall Schuld hat, sollten beide Unfallbeteiligten ihre Versicherungen über den Unfall informieren. Diese nehmen untereinander Kontakt auf und klären die Schuldfrage.
Kommt es bei diesem Prozess zu Problemen und Ihnen wird eine Teilschuld zugesprochen, obwohl Sie der Meinung sind, unschuldig zu sein, sollten Sie einen Anwalt einschalten.
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